Montag, 15. April 2013

Abendlieder und Abendgedichte

Abendheimgang.

So lang die Sonn' am Himmel steht,
Geh' ich nicht weg von den Buchen;
Eh zu Neste der Vogel geht,
Werd' ich mein Haus nicht suchen.
Die Sonne sank, es stammt der West,
Der Vogel zwitschert leis im Nest,
Leise zu Gottes Preise,
Dank, Dank für Trank und Speise,
Herz, danke du gleicherweise!

Nun will ich auch zu Bette gehn
Mit all der Tageswonne,
Und morgen wieder früh aufstehn
Mit dem Vogel der Sonne.
Die Sonne sank, es stammt der West,
Der Vogel zwitschert leis im Nest,
Leise zu Gottes Preise,
Dank, Dank, für Trank und Speise,
Herz, danke du gleicherweise.

Friedrich Rückert
(* 16. Mai 1788 in Schweinfurt; † 31. Januar 1866 in Neuses - heute Teil von Coburg)

Abendlied

Kommst, lieber Abend, wieder
Auf unsre kleine Flur;
Dir tönen unsre Lieder,
Wie schön bist du, Natur!

Schon steigt die Abendröthe
Herab in's kühle Thal,
Bald glänzt in sanfter Röthe
Der Sonne letzter Strahl.

Allüberall herrscht Schweigen;
Nur steigt aus unserm Chor
Hier unter grünen Zweigen
Ein Danklied noch empor.

Kommst, lieber Abend, wieder
Auf unsre kleine Flur;
Dir danken unsre Lieder,
Dir, Vater der Natur.

Matthias Claudius
( * 15. August 1740 in Reinfeld (Holstein); † 21. Januar 1815 in Hamburg)

Abend

Will nun schlafen gehen,
Liebes Bettchen mein:
Kann ja nichts mehr sehen
Mit meinen Augelein.

Meine Mutter decket
Mich so freundlich zu,
Gute Mutter wecket
Morgen mich aus der Ruh.

Vater und Mutter, beide
Kommen bald herein,
Seh'n an mir ihre Freude,
Schlafen mit mir ein.

Doch vom Himmel nieder
Noch ein Vater wacht,
Dessen Augenlieder
Schlummern keine Nacht.

Sieht auf all' die Seinen
Freundlich immer zu
Großen all' und Kleinen
Gibt er die süße Ruh.

Vater droben, siehe
Auf mich diese Nacht,
Nimm auch spät und frühe
Vater und Mutter in Acht!

Johann Wilhelm Hey (* 26. März 1789 in Leina; † 19. Mai 1854 in Ichtershausen)


Die Sonne hat uns gute Nacht gegeben,
Die Schafe ziehen heim in's stille Haus,
Kein Vogel mag den Flügel mehr erheben,
Sie schlafen alle und ihr Lied ist aus;
Nun leg' auch ich mich hin zur Ruh'
Und schließ die müden Augen zu.

Ich bin noch schwach, ich bin noch klein;
Du, guter Gott! wirst bei mir sein;
Dann furcht' ich nicht die finst're Zeit,
Ich weiß, mir widerfährt kein Leid;
Dann träum' ich, was auch kommen mag,
Von einem schönen, gold'nen Tag.

Link's Gedächtnißübung.


Gute Nacht.
Gute Nacht!
Hab' mich doch so müd gemacht.
Bin gelaufen, bin gesprungen,
Hab' gelernt, gelacht, gesungen,
Hab' es weiter heut gebracht —
Gute Nacht!

Gute Nacht!
Vöglein auch, das schläft schon sacht,
Und das Hühnchen in dem Stalle,
Und das Täublein ohne Galle
Ruhet süß, vom Traum umfacht:
Gute Nacht!

Gute Nacht!
Euch vor allen zugedacht,
Liebe Eltern, Schwestern, Brüder!
Morgen seh'n wir froh uns wieder,
So Gott will, der uns bewacht!
Gute Nacht!

(Autor unbekannt)

Abendlied. 

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schwelget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold,
Als eine stille Kammer,
Wo Ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt!

Seht Ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön:
So find wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder,
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinnste,
Und suchen viele Künste,
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns aufwärts schauen,
Auf nichts Verganglich's trauen.
Nicht Eitelkeit uns freu'n;
Laß uns einfältig werden,
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder, fromm und fröhlich sein

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder,
Kühl ist der Abendhauch.
Verschon' uns, Gott, mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbar auch.

(Claudius)

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